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Kirche und Islam heute
Ansprache bei der Versammlung der Österreichischen Bischofskonferenz, Wien, 7. November 2006
Der inzwischen berühmt gewordene Satz aus der Gastvorlesung, die der Heilige Vater am vergangenen 12. September an der Universität von Regensburg vor einer Gruppe von Akademikern gehalten hat, hat in der ganzen muslimischen Welt einen gewaltsamen wie auch irrationalen und oberflächlichen Protest ausgelöst. Die muslimische Welt hat mit Emotion reagiert. Die westliche Welt hat darauf mit Angst, Verzagtheit und Unsicherheit geantwortet. Unter den verschiedenen alarmierenden Reaktionen will ich besonders darauf hinweisen, daß wir es mit der Rückkehr einer Kultur zu tun haben, die sich durch das Hörvermögen einer einfach überlieferten Religion - dem Islam - von den anderen Religionen unterscheidet. Sein Befehl lautet Iqra (lies!). Der Islam bedient sich des Minaretts, um den Namen Gottes kraftvoll zu verbreiten und befiehlt seinen Hörern, die Verse des Koran als Gebet zu rezitieren. Auch das Christentum empfiehlt seinen Gläubigen super tecta " (auf den Dächern", vgl. Lk 12,3) zu predigen. Der heilige Paulus lehrt, daß jeder, der den Namen des Herrn anruft, gerettet wird." Wie aber sollen sie anrufen, an den sie nicht glauben? Wie aber sollen sie an den glauben, von dem sie nicht gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand predigt?" (Röm 10, 13-15). Also kommt der Glauben aus dem Hören, das Hören aber durch das Wort Christi" ( Fides ex auditu, auditus autem per verbum Christi (Röm 10,17)).
Für die Christen setzt dies einen inneren Prozeß und eine freiwillige Entscheidung - adhaesio mentis " - voraus. Dieser Prozeß ist fortschreitend, er muß aufgenommen und verarbeitet werden. Dann erst kann man ihm aus ganzem Herzen zustimmen. Im Koran verhält es sich nicht so. Er verlangt von den Boten, einfach zu wiederholen: Lies (und gehorche), lies im Namen Deines Gottes!"
Das Problem unserer heutigen Gesellschaft, vor allem unserer Beziehung zu den Muslimen, scheint ein Problem der Kommunikation, der Verkündigung und der Aufnahme des Wortes ( auditus ) zu sein. Die Verkündigung des Evangeliums ist eine konkrete Pflicht. Die Herausforderung unserer Zeit ist es, dies gut zu tun. Wir müssen verstehen, den Glauben mit den technischen Mitteln von heute, aber auch durch eine gesunde Teilnahme am aktuellen philosophischen Diskurs zu vermitteln. Alle verwenden eine Sprache und eine entsprechend geeignete Terminologie, doch die präzise Übermittlung und genaue Aufnahme des Gesagten bewirken, daß sich durch die Worte eine schöpferische Energie, oder auch eine zerstörerische Kraft entfalten kann. Während in der westlich geprägten (christlichen) Kultur die Verkündigung und die Aufnahme des Wortes vom Menschen und seiner Bereitschaft der Zustimmung abhängt, muß der Muslim die ihm anvertraute Botschaft einfach so verkünden, wie er sie empfangen hat. Es steht ihm weder zu, sie zu erläutern noch zu beurteilen, ob die Aufnahme des Wortes gelegen kommt: Sag, daß es keinen Gott außer den Einen Gott gibt."
Verkündigung und Aufnahme der Botschaft haben in der christlichen Kultur nicht die gleiche Bedeutung wie in der muslimischen Kultur. Die christliche Botschaft wird vom Himmel zu einer Frau geschickt, von der sich Gott eine Antwort erwartet. Sie hätte Nein sagen können. Der Verkünder des Islam übermittelt einfach den Willen Gottes: Sag mir, Issa (Jesus), wann habe ich dir befohlen zu sagen: Betet mich und meine Mutter an?" Der Prophet ist ein rassul ", ein Gesandter, der die Botschaft so wie sie ist übermitteln muß. Diese Botschaft ist sarmadi ", ewig und daher unveränderlich. Niemand kann sie interpretieren, nicht einmal übersetzen. Wir haben euch einen koranan arabiyan ', einen arabischen Koran gegeben, damit Ihr glaubt." Jesus hingegen ist Herr und Lehrer (Meister), der den Vater offenbart und sein Leben für die hingibt, die an ihn glauben.
Die Muslime beherrschen sehr gut die Sprache und den Stil der modernen Kommunikationsmittel. Sie reden gerne von Demokratie, von Freiheit, von den Menschenrechten, aber immer im Rahmen der Unterwerfung unter das islamische Gesetz Allahs, das in Seinem Buch und in Seiner Sunnah, in der authentischen Tradition enthalten ist. Solange eine Vorschrift, ein Gesetz, ein Brauch oder auch die Rache im Koran begründet sind, bleibt die Annäherung eine offene Frage. Aber wenn der Befehl und die Vorschrift ( shariy'ah ) auf den ahadiyth (Traditionen) basieren, die man genauso wenig verändern darf, entstehen (in der Geschichte) enorme folgerichtige, wissenschaftliche Schwierigkeiten. Wer garantiert die authentische Interpretation der einen oder anderen Tradition? Es gibt viele Aussprüche zu ein und demselben Thema. Der Islam, wie er heute gelebt wird, ist ein traditioneller Islam, der mehr auf den Sprüchen ( hadiyth ) beruht als auf dem Koran selbst. Wenn die Muslime von Menschenrechten, von Religions- und Meinungsfreiheit sprechen, ist die westliche, perfekt technologisierte und gekünstelte Welt betört, weil sie eine Terminologie (Wortwahl) vernimmt, die ihr vertraut ist. Aber für die Muslime haben diese Worte nicht die gleiche Bedeutung. Was bedeutet: Gebot, Liebe, Geschenk, Wert? Durch die Geschichte hindurch hat der Islam einen einzigen Ausdruck, Interpret und Garant seines Glaubens und seines religiösen und moralischen Verhaltens gefunden: Es war der Kalif (Stellvertreter Allahs). Er hat einen einzigen Befehl erhalten: Iqra " (lies!). Lies dein Buch (17,14 Israa), lies im Namen deines Gottes. Er ist es, der in Wahrheit Himmel und Erde geschaffen hat" (96,1 und 3 Alaq). Das Buch zu lesen heißt, alles zu wissen, die Gebote Gottes zu hören und dem rechten Weg zu folgen. Wer sich gegen Gott und seinen Boten auflehnt, wird zur ewigen Hölle verurteilt" (4,14 Nissaa).
Mohammed ist gestorben, ohne einen direkten Nachfolger (Kalif) zu hinterlassen. Seine ersten drei Nachfolger (632-661 n. Chr.) haben, wenn auch mit Gewalt, einen einheitlichen Islam verbreitet. Sie hatten mit ihrem Propheten gelebt und gekämpft. Sie brauchten keine Erklärung und keine Kommentare. Sie gingen in die Geschichte als Weise" ein, weil sie alles wußten und die ganze Macht ausübten. Aber diese Situation hat sich bald geändert. Der vierte Kalif, Ali Ben Abi Taleb, Schwiegersohn des Propheten, ein frommer, aber nicht sehr kluger Mann, hat sich das Kalifat durch einen Betrug vom Gouverneur von Damaskus, Mu'awiyah, entreißen lassen. So ist das Kalifat von Mohammeds Stamm ( qureischiti ) auf den Stamm des Vetters, Mu'awiyah, die Omayaden-Dynastie von Damaskus, übergegangen. Die nahen Anhänger Alis akzeptierten jedoch diesen Betrug nicht, sondern rebellierten gegen den neuen Kalifen und wurden folglich Schiiten (von shi'ah, Anhänger) genannt, weil sie Anhänger des vierten Kalifen waren. Die muslimische Welt ist bis zum Fall des Osmanischen Reiches (1922 n.Chr.) von den Sunniten regiert worden. Auch wenn das Schiitentum im Iran, einer muslimischen aber nicht arabischen Region, schon im Jahre 1490 zur Staatsreligion ernannt wurde, muß man bis auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts warten, um mit dem Aufstieg von Khomeini im Jahre 1979 eine schiitisches System an der Macht zu sehen.
Der Islam, den man heutzutage in aller Welt (außer im Iran!) kennt, ist ein sunnitischer Islam. Seine Methode ist Analogie: so zu handeln, wie auch der Prophet gehandelt hätte, wenn er selbst unter gleichen Umständen leben würde und dieselben existentiellen Probleme lösen müßte. Es ist ein Regierungssystem durch Analogie. Die juridische Interpretation fuqh ist während der Zeit der Omayaden- und Abbasiden-Dynastie zur Quelle des Rechts und der disziplinären Autorität geworden. Im osmanischen Reich hingegen deutet über vierhundert Jahre lang der Sultan den Willen Gottes. Als Stellvertreter Gottes ( Khalifah ) und Nachfolger ( wariyth ) Mohammeds führt er den Islam in der ganzen Welt an. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und am Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es Anzeichen der Rebellion und des Widerstandes gegen den Willen qahramane ". Das Schiitentum hingegen ist strenger religiös, mystischer, traditioneller ( salfy ") und hat einen großen religiösen und philosophischen Einfluß auf den politischen Hintergrund ausgeübt. Die Sufis, muslimische Mystiker, gehören der schiitischen Bewegung an. Auch die Salafiti (treue Anhänger der Vorgänger) und seit kurzem auch die modernen religiös-politischen Bewegungen, sind vom Schiitentum inspiriert.
Das Schiitentum hat sich aus Frustration über die Dekadenz des osmanischen Reiches und wegen der vielen Demütigungen entwickelt. Es hat sich als geheime Opposition und auch als Widerstandsgruppe gegen die Kolonialisierung gebildet, da sie von der Regierung ihrer muslimischen Mitbrüder enttäuscht waren. Die schiitischen Bewegungen wurden anfangs von den nationalistischen Parteien der einzelnen Länder ermutigt und unterstützt. Sie waren enttäuscht über die Unfähigkeit ihrer Regierungen, die sozialen und nationalen Probleme zu lösen, aber auch von ihrer politischen und militärischen Machtlosigkeit gegenüber Israel. Die religiösen Bewegungen fühlten sich von ihren eigenen muslimischen Mitbrüdern verraten. Anstatt Allah zu gehorchen und seine shariyah " anzuwenden, zogen die Regierungen ihre eigenen Interessen vor. Von einem liberalen Westen inspiriert und an den marxistischen Osten in vieler Hinsicht gebunden, hatten sie den rechten Weg" der shari'ah verlassen. So wurden sie zu den neuen Heiden. Wir sind in die neue Giahiliyyah (prä-islamische Periode) eingetreten" (Said Qutb). Man könne nicht auf die nationalen Regierungen zählen, sondern müsse sie vertreiben, damit sich die Gesellschaft auf den rechten Weg begibt.
Binnen einem Jahrhundert sind von Marokko bis nach Indien viele (Hunderte!) muslimische Bewegungen mit unterschiedlicher Ausrichtung entstanden, alle aber bewaffnet mit demselben Slogan: Das Land des Islam gehört Allah. Die Muslime sind seine Stellvertreter (Statthalter), sie müssen ihre Religion verteidigen. Das Land des Islam ist nicht nur das, was man heute dar al Islam " (Haus des Islam) nennt. Es handelt sich auch um das Land, das wieder erobert werden muß, wie Spanien, Frankreich und der Balkan, oder neu erobert gehört ( dar al harb ", Haus des Krieges), wie Amerika. Die fundamentalistischen Bewegungen wie Al-Qaeda und die libanesische Hizzbollah blühen heute in Nordamerika und Lateinamerika, sie haben einen starken Stützpunkt in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, und Spanien. Ihre Waffen und ihr Slogan sind der Auftrag, dem Ruf Gottes und der Rückkehr zum Glauben Folge zu leisten. Diejenigen, die den jihaad " und den da'wah " als einen Rückschritt (ins Mittelalter) betrachten, sind die Feinde der Umma und Freunde Satans (USA und Israel). Einen letzten Ausdruck haben diese fundamentalistischen Strömungen in den Bewegungen von Al-Qaeda und in der derzeitigen Hizzbollah gefunden. Die Hizzbollah hat mit ihrer Widerstandskraft, mit der Qualität ihrer Waffenausrüstung, mit der Präzision ihrer Strategie und der Mobilität im Kampf ihre besten Beobachter überrascht. Anschläge wie jene auf die Twin Towers (New York, 11. September 2001) und der Krieg mit Israel im Südlibanon setzen eine lange und genaue Vorbereitung voraus. Heute wird die libanesische Hizzbollah wenn nicht gar als die Macht schlechthin, so zumindest als starker Arm des mächtigsten Regimes in der Region des Nahen Ostens, dem Iran, betrachtet. Gott hat ihnen den Sieg gebracht", damit sie Satan bekämpfen und nicht an seine leeren Versprechungen glauben. Der Iran ist eine große Weltmacht geworden, weil er die Vorschrift der shari'ah befolgt hat. Die libanesische Hizzbollah ist stark von Al-Qaedas strategischer Organisation beeinflußt, aber auch vom iranischen Verwaltungssystem und vom mystischen Glauben der Sufi, der im Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes und gegenüber seinem Stellvertreter, dem Emir, Bruder im Glauben, Ausdruck findet. Gehorsam Gott gegenüber bedeutet in erster Linie, zu lesen und die Botschaft zu verkünden: Es gibt keinen anderen Gott außer den Einen Gott, und Mohammed ist sein Prophet. Europa ist heute ein offenes Gebiet, ein Land der fath (Eroberung). Gott hat es euch gegeben. Gehorcht Gott und benützt die Mittel, die euch zur Verfügung stehen: Gott ist sehr aufmerksam und paßt auf, was ihr tut" (Koran, 2,85).
Die Konsequenzen dieser Entwicklung kennen wir. Wir erleben heute eine sichtbare und sich behauptende Präsenz des Islams in ganz Europa. Es finden Demonstrationen statt, Forderungen im Zusammenhang mit der Bedeutung und einer Umdeutung von demokratischen Gesetzen. Überall gibt es Moscheen, religiöse Zentren und muslimische Institute. Die realen Ansprüche ihrer Mitglieder stehen oft im Kontrast mit dem Stil der sie umgebenden Kultur. Sie bauen für die Zukunft. Wenn irgendeine Stimme es wagt, Kritik auszusprechen, wird sie sofort als reaktionär und rassistisch abgestempelt. Stolz wiederholt man immer wieder, daß Europa kein Christenclub" sei. Andererseits kann doch Europa auch nicht bloß ein großer Wirtschaftskomplex sein. Im Zentrum, in der Mitte und am Ende steht der Mensch. Der europäische Mensch. Aber er hat dem Islam gegenüber keine überzeugenden Antworten bereit. (persönliche Forderungen der Muslime, Karikaturenstreit, Schleier, Papstansprache)
An diesem Punkt angelangt drängt sich eine Frage auf: Ist der Islam eine Gefahr? Die Antwort ist JA und NEIN. Er ist keine Gefahr, weil seine Antwort kein wirklich dynamisches Angebot, sondern in sich erstarrt ist. Es gibt keinen Gott außer dem Einen Gott. Alles ist im Koran und in der Sunna enthalten. Alles andere laa yajouz " ist nicht erlaubt. Die wahre Freiheit des Menschen beruht darin, sich dem, was Gott seinem Propheten mitgeteilt hat, zu unterwerfen.
Er übt aber auch eine Faszination aus, weil er von einer Transzendenz spricht, die verzaubert und verführt. Nach dem Zusammenbruch des marxistischen Systems hat wieder eine intensivere religiöse Suche begonnen. Der Islam bietet etwas Ritterliches an (Großzügigkeit, Gastfreundschaft, Verehrung, Treue gegenüber dem gegebenen Wort). Für einen intelligenten Geist, der vom Rhythmus des modernen Lebens und vom leichtlebigen Hedonismus enttäuscht ist, bleibt der Glaube an das ewige Leben, an die Präsenz des Schöpfergottes und höchsten Richters, an seine Barmherzigkeit gegenüber den reuigen Menschen nicht mehr eine abstrakte Idee. Der Islam zieht den heutigen Menschen an, der von einem Aktivismus erdrückt wird, der keine Zeit zur Kontemplation läßt (das ist oft der Grund für viele Bekehrungen zum Islam!). Ein dritter Aspekt im Islam ist sein weltlicher und materialistischer Charakter. Abgesehen von einigen sehr weit gefaßten Vorschriften verlangt er von seinen Gläubigen weiter nichts. (Es ist ein bißchen wie das fac quod vis "). Während der 28 Tage des Fastenmonats Ramadan werden an 24 Tagen Feste gefeiert, und es wird nur wenige Stunden gebetet. Allah ist barmherzig und großzügig. Er belohnt seine Gläubigen konkret, ja fast auf physische Weise. Die im jihaad " Gefallenen sind Märtyrer, die sofort in die Gesellschaft Mohammeds aufgenommen werden. Sie werden in die Gärten Edens eintreten, wo frische Bäche fließen" (XVI, 31, Nahl). Und sie werden dort für immer unsterblich sein" (98,18, Bayyinaat). Dort werden die , hurriyya ' (Jungfrauen) mit großen schwarzen Augen, ähnlich einer Perle, die Belohnung für ihren Glauben sein." (LVI,22).
Der französische Wissenschafter Alain Besançon hat das Verhalten der westlichen Christen gegenüber dem Islam untersucht. Er sagt unter anderem: Der Christ ist in seinem Umgang mit dem Moslem von dessen religiösem Eifer Gott gegenüber beeindruckt. Der Islam, der sich in einer Wachstumsphase befindet, scheint nicht vom Christentum beeindruckt zu sein. Die Christen hingegen fühlen sich vom Islam angezogen. Sie sind sogar in der Versuchung, sich zum Islam zu bekehren. Wir brauchen uns nur in unseren Buchhandlungen nach der wohlwollenden Literatur über den Islam umzusehen, oft auch aus der Feder von Priestern. Wir werden erkennen, daß die Anziehungskraft dieser Religion aus unterschiedlichen Gefühlen herrührt: eine gewisse Kritik gegenüber einer liberalen, modernen Welt, die vom Kapitalismus, Individualismus und von einem großen Konkurrenzkampf geprägt ist; die muslimische Kultur ist hingegen mit ganz entgegengerichteten, traditionellen Werten behaftet wie der Unveränderlichkeit der Tradition, dem Gemeinschaftsgeist, der Wärme im menschlichen Umgang. Diejenigen, die orientierungslos geworden sind, weil ihr christlicher Glaube erkaltet ist, bewundern die Frömmigkeit der Muslime. Sie sind überzeugt, daß es immer noch besser ist, an etwas zu glauben, als an nichts zu glauben. Sie bemerken nicht, daß sie den Glauben mit der Religion verwechseln", so Besançon.
Stellen wir also nochmals die Frage: Ist der Islam eine Gefahr?
Nein, er stellt keine Gefahr dar, weil er keine kreative Antwort geben kann. Seine Botschaft bezieht sich auf eine Rolle der Unterwerfung, nicht der Mitarbeit am Reich Gottes. Sie appelliert nicht an die Vernunft, sie läßt wenig Raum für eine freie Entscheidung. Die Geschichte lehrt, daß, wenn der Islam in ein Gebiet eindringt, er dieses Gebiet nicht mehr zurückgibt. Im Islam wird der Glaube weitergegeben und man muß gehorchen, während der heilige Paulus den Glauben anbietet und der Mensch antworten und zustimmen kann (oder auch nicht).
Was können wir also tun?
Wir dürfen keine Angst haben. Die Kirche ist ein lebendiger Leib, der in dieser Welt integriert ist. Sie bewahrt auf legitime Weise den Reichtum der abendländischen Zivilisation. Mit ihren Sünden und ihren Erfolgen, mit ihren Heiligen und ihren Sündern, mit ihren Revolutionen und ihren Entdeckungen (ihren Lichtern und ihren Schatten) hat sie einen enormen Beitrag geleistet zum Fortschritt der Zivilisation. Sie kann nicht indifferenter Zuschauer sein, sie kann nicht einfach passiv leiden. Ihr Leiden trägt dazu bei, daß sich die Kirche von ihren Sünden reinigt. Sie hat die Verheißung des ewigen Lebens erhalten, aber auch das Licht, das erleuchtet. Christus Lumen Gentium. Papst Johannes Paul II. hat gesagt, niemand könne sagen: Ich kann nichts für den Frieden tun. Niemand kann gegenüber einer islamischen Invasion sagen: Das interessiert mich nicht. Wir alle haben eine Verantwortung für die Zukunft. Der Islam ist keine Antwort. Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Was können wir also tun? Wir können begleiten und in die richtige Bahn lenken:
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Die Bedeutung der christlichen Pietas (Frömmigkeit) wiederentdecken und ihr im Kult den sichtbaren Ausdruck verleihen, ihr aber auch einen angemessenen Raum in der Gesellschaft wiedergeben. Im Katechismus der Katholischen Kirche (KKK) steht: Der christliche Kult beruht auf dem Mysterium des menschgewordenen Sohnes Gottes, in dem der transzendente Gott sichtbar wird" (Kompendium zum KKK, 446). Wir wissen, wie sehr der Islam die äußeren Andachtsformen schätzt (Wallfahrt nach Mekka, gesellschaftliches Fasten, Gebet im Freien).
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Menschen ausbilden, die fähig sind für den Dialog. Wenn der Dialog ein Schlagwort für alle möglichen Kategorien geworden ist, so ist er doch für die Kirche ein Mittel zur Verkündigung (Papst Paul VI.). Der Dialog unter Christen ist nicht derselbe Dialog, den Christen mit anderen führen. Um einen nützlichen und erfolgreichen Dialog zu führen, muß man vor allem erst einmal die Materie gut kennen und auch seinen eigenen Glauben kennen, ihn leben, meditieren und ihn mitteilen. Man muß ihn in den Schulen und bei anderen Gelegenheiten lehren. Den gekreuzigten Christus lehren, aber auch den Auferstandenen, der den Sieg bringt. Man muß also die katholische Katechese auf die Person Christi Iudaeis, gentibus stultitia " konzentrieren.
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Den Islam und seine Gläubigen, die gemütlich ihren Platz in der christlichen Zivilisation einnehmen, biblisch aufnehmen und ihnen Christus vorstellen, der ruft und alle rettet. Christliche Ausbildungszentren schaffen, Bewegungen wie zum Beispiel die Katholische Aktion gründen, um junge Muslime kennenzulernen und die jungen Christen zu ihrer missionarischen Berufung" erziehen.
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Nicht alle Ansprüche (Forderungen) des Islam mit wahllosem Enthusiasmus akzeptieren, aber auch nicht all ihren Drohungen Glauben schenken. Vielmehr die Muslime einladen, sich zu deklarieren und ihre Wünsche, vor allem jene auf religiöser Ebene, rationell (logisch) zu formulieren. Auch wenn sie ihr Buch als unantastbar" betrachten, dürfen sie nicht verlangen, diese Ansicht allen anderen aufzudrängen. Nicht alles, was sie glauben und wie sie leben, steht auch wirklich in ihrem Buch. Ihre Traditionen ( ahaadiyth ) beruhen auf keinem geschichtlichen Fundament. Sie sparen nicht mit Kritik und Beleidigungen gegenüber der christlichen Einstellung. Wenigstens in der Welt der westlichen Demokratie sollten sie anderen gegenüber eine par conditio " respektieren, die auf Gegenseitigkeit beruht. Aber wenn niemand verkündet, wie kann man dann glauben? Wenn niemand fragt, wie kann man dann etwas geben? Wenn niemand es wagt, von den Muslimen zu verlangen, ihre wahren Motivationen darzulegen, werden sie sich nicht beruhigen.
In den vergangenen Jahrhunderten schickte die Kirche viele Gesandte in die Mission in ferne Länder, um das Evangelium zu verkünden. Heute scheint es fast so, daß Christus das Recht, im eigenen Haus tätig zu sein - pars haereditatis " -, aberkannt wird. Es ist nicht wahr, daß man die Muslime nicht bekehren kann. Vielmehr stimmt es, daß die westliche Welt sich stolz zu ihrem Agnostizismus bekennt. Für den Islam ist das ein Skandal und gleichzeitig eine Einladung, Gott in dieses Vakuum zu tragen.
Im 20. Jahrhundert hat die Kirche Institute gegründet, um ihre Kompetenzen und Anstrengungen zur Bekämpfung des atheistischen Marxismus zu vermehren. Auch das war damals eine Gefahr, aber eine Gefahr ohne Gott. Sie konnte nicht endlos dauern. Die österreichische Kirche hat sich mit ihren vielen Initiativen und ihrer Pastoral im Bereich des missionarischen und ökumenischen Dialogs eine breite (universale) Anerkennung verschafft. Der Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König, war der erste Präsident des Päpstlichen Sekretariats für die Nicht-Christen. In seiner heutigen Form kümmert sich dieses Institut nun auch um den interreligiösen Dialog.
Die Abwesenheit von Transzendenz ist die große Schwäche des Westens. Sie überläßt den falschen Propheten ein Aktionsfeld, in dem sich die Kriegstreiber immer verfangen haben." (T. Wolton). Der Islam ist eine Religion, die eine vertikale Dimension eröffnet. Seine Beziehung zur modernen Welt ist jedoch in einer Krise. Es handelt sich um eine rationelle Krise, eine Krise der Anpassungsfähigkeit, eine Krise des Fortschritts. Er macht keine (konstruktiven) Vorschläge, er erinnert nur an seine eigene Vergangenheit und sein Erbe. Er ist stolz auf seine Verdienste und wiederholt die Gebote Gottes. Daher rebelliert er gegen alle und gegen alles, und geht dabei in die Defensive. Mit Hilfe seiner Einwanderer stellt er die Umma auf weltweiter Ebene her." (T. Wolton).
Wenn die Kirche nicht auf dieses weltweiten Phänomen reagiert und nicht die Initiative neu ergreift, Christus super tecta " zu verkünden, vielleicht auch per pagos et oppida " und in den viculos et cursos ", riskiert sie, immer mehr in Richtung Islam zu rutschen, ohne sich darüber im klaren zu sein," wie Alain Besançon meint. Jesus hat uns in die Welt geschickt, damit wir von den Dächern die Wahrheit predigen. Christus ist die Wahrheit. Papst Benedikt XVI. sagt: Der Christ weiß, wann es Zeit ist, von Gott zu reden, und wann es recht ist, von ihm zu schweigen und nur einfach die Liebe reden zu lassen" (Deus Caritas est, 31). Das Verstummen des Wortes macht Platz für die Kommunikation der Liebe. Die Liebe überschreitet Stämme und Nationen, um bis ans Ende der Welt das Wort Gottes zu verkünden: Christus Lumen Gentium."