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Neue Perspektiven für den Dialog mit den Muslimen?
Vortrag vor den Rittern des Heilig-Grab-Ordens, Salzburg, 17. Dezember 2007
Am 6. November 2007 hat der König von Saudi-Arabien, Abdallah ben Abdel Aziz, mit seinem Gefolge Papst Benedikt XVI. im Vatikan einen Besuch abgestattet. Gemäß dem Protokoll, das für Staatsbesuche im Vatikan vorgesehen ist, konnte der König zuerst dem Papst und danach dem Staatssekretär Kardinal Tarcisio Bertone begegnen. Der König hat mit dem Kardinal-Staatssekretär und seinen Mitarbeitern ein ausführliches Gespräch geführt.
Von seiten des Heiligen Stuhls wurde zu diesem Anlaß kein offizielles Presse-Communiqué verfaßt. Doch am selben Abend stand noch ein Treffen mit dem italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano auf dem Programm. Nach dem Abendessen gab König Abdallah ben Abdel Aziz gemeinsam mit dem italienischen Staatspräsidenten eine Pressekonferenz, wobei der König seinen Besuch beim Heiligen Vater als historisch und wichtig für die Errichtung eines soliden Friedens" einschätzte.
Schon am 5. November, am Vorabend dieser hochrangigen Visite, hatte der Apostolische Vikar in Arabien, Bischof Paul Hinder, den Besuch als Zeichen für einen vorsichtigen menschenrechtspolitischen Reformkurs" gewertet.
Es ist nicht schwierig, sich vorzustellen, welche Sorgen der Papst dem König Saudi-Arabiens während der Audienz vortrug: Er sprach über den Frieden, den Terrorismus, die Epidemien der modernen Zeit (Aids), die Hungersnot. Es wurde auch von Menschenrechten, vom Dialog der Religionen und von der religiösen Freiheit der Christen in islamischen Ländern gesprochen. In islamischen Gebieten und Kulturen drohen Frustration, Ungerechtigkeit und Terrorismus im Namen Allahs mit Hilfe vieler "frommer" Muslime und unter Bezugnahme auf die dortige Religion.
In Europa und in Amerika, in unserer postmodernen Zivilisation gibt es leider auch Menschenhandel, Organhandel und Abtreibung, eine Art materieller Unzufriedenheit und eine moralische Unordnung, die Sehnsucht nach etwas anderem. Das alles sind Zeichen einer Zivilisation, die unsicher, unzufrieden und unruhig ist. Sie sucht Antworten auf viele von Zweifeln geprägte Fragen, und kann sie dennoch nicht finden. Die Forschungen im Atombereich, der Wettlauf psychologischer oder nationalistischer Wiederaufrüstung, das allgegenwärtige Aggressionspotential, anstatt nach friedlichen Lösungen der Konflikte zu streben, verkompliziert und erschwert die Weltsituation derart, daß die echten und fundamentalen Probleme der Gesellschaft fast übersehen werden. Der Westen ist darum bemüht, seine wirtschaftliche Überlegenheit zu wahren, und der Islam sucht religiöse Belohnung in Gottesordnungen, wie sie im Koran vorgegeben sind.
Historischer Besuch
Über den Besuch des Königs von Arabien hat die Presse mit viel Enthusiasmus und Euphorie berichtet. Unangenehme Themen wie religiöse Intoleranz und die Menschenrechte wurden nicht zur Sprache gebracht, um den König jedenfalls in ein positives Licht zu rücken.
Die Presse hat dem genannten Besuch historische Bedeutung beigemessen. Sie hat von der Intelligenz und der Persönlichkeit des Königs gesprochen und gefordert, aufgrund der Begegnung historische Konsequenzen zu ziehen. Vielleicht spricht die Presse dabei aber zu schnell von einer religiösen Öffnung, von einem wirksamen Dialog, von einem echten Willen in Richtung eines gezielten Engagements für die Realisierung des Friedens, vor allem im Nahen Osten, wo die Lage besonders schwierig und gefährlich ist. Im Nahen und Mittleren Osten herrschen Krieg und Ungerechtigkeit. Die christlichen Minderheiten, aber auch andere, sind in Gefahr, förmlich vernichtet zu werden. Der Westen begegnet den neuen Minderheiten in Europa hingegen meist mit Toleranz und Wohlwollen und betrachtet ihre Forderungen als Phänomen einer multikulturellen, liberalen Atmosphäre.
Saudi-Arabien wollte mit dem Heiligen Stuhl bisher keine diplomatischen Beziehungen eingehen. Das Treffen vom 5. November könnte jedoch einen Anfangspunkt setzen. Die Zeit ist sicherlich noch nicht reif für einen offiziellen Austausch diplomatischer Noten, aber es wurde zumindest ein erster Versuch in diese Richtung unternommen. Die ersten diplomatischen Annäherungsversuche des Vatikan an Saudi-Arabien rühren noch von der unmittelbaren Nachkonzilszeit der Sechziger Jahre her.
Schon im Mai 1974 wurde Kardinal Sergio Pignedoli, der damalige Präsident des Sekretariats für die Nicht-Christen, mit einer vatikanischen Delegation vom damaligen König Faysal in Saudi-Arabien empfangen. Im Oktober desselben Jahres hat dann eine Delegation der Ulema dem Heiligen Stuhl einen offiziellen Informationsbesuch abgestattet.
Derselbe König Abdallah hatte bereits als Außenminister 1996 einen offiziellen Besuch im Vatikan absolviert. Die vatikanische Zeitung L' Osservatore Romano hatte den Besuch damals schon als Zeichen des Dialogs und der Zusammenarbeit und Kooperation zwischen Christen, Muslimen und Juden für den Frieden" gewertet.
Symbol einer neuen Ära
Der Besuch vom November 2007 hat vor allem einen symbolischen Wert. Das Ergebnis dieses Besuchs werden jedoch erst die kommenden Jahre zeigen. Gewiß ist das Zusammentreffen zwischen dem Papst und dem arabischen König als historisch zu betrachten. Es begegnen einander hier die Hüter der zwei Heiligtümer" ( haramayn ). Viel wichtiger und herausfordernder für unsere Gesellschaft und die Kirche aber ist das Motiv dieser so herzlichen und langen Begegnung (40 Minuten!).
Einige Tage zuvor, am 17. Oktober 2007 hatten 138 islamische Gelehrte aus 43 Ländern, einen Brief an Papst Benedikt und alle christlichen Führer geschrieben, in dem sie ein gemeinsames Wort" zum Ausdruck bringen wollten. Dieses Wort ist ein authentisches Zitat des Koran, in dem es heißt: Kommt, bemühen wir uns wenigstens um ein Wort, daß wir den einzigen Gott anbeten" (Sura 3,64, Die Familie). Man muß diesen Brief oder diese Initiative in derselben Blickrichtung des offiziellen Briefes von 38 intellektuellen Moslems betrachten, die sich 2006 nach der Rede von Regensburg an den Papst gewandt hatten. Unter dem Anschein eines Protestes gegen ein mittelalterliches Zitat über den Islam, das die Muslime nicht gern gehört haben, wollte die islamische Welt eine vermeintlich moderne und aufgeklärte Gestalt von sich selbst geben.
Der Islam will sich von seiner netten Seite zeigen. Um seinem Platz und seine Rolle in der modernen Kultur zu dokumentieren, bemüht er sich, aufgrund seiner Treue zu Werten und Geboten eine größere Weitsicht und einen stärkeren Gegenwartsbezug zu vermitteln. Mit dem Ruf zum fünfmaligen Gebet pro Tag, ausgesprochener Gastfreundschaft, der Liebe zur Familie und den natürlichen Werten des Menschen stellt sich der Islam als gesellschaftstragende Gemeinschaft dar. Dies erkennt man bereits, wenn man irgendeine einfache islamische Tageszeitung aufschlägt.
In Saudi-Arabien, mit seinen 23 Millionen Einwohnern, leben über eine Million Katholiken (offiziell 920.000). Aber sie dürfen keine Kirchen oder andere Kultstätten besitzen. Sie dürfen sich nicht versammeln, keine religiösen Bücher haben und keine Gebete sprechen. Auch christliche Symbole wie Kreuze, Medaillen und Rosenkränze dürfen sie nicht verwenden, denn gemäß dem Glauben der Religion der Wahabiten, der Religion Saudi-Arabiens, ist der Islam als absolut exklusiv zu betrachten. Im ganzen Territorium des Königreichs darf wegen der örtlichen Präsenz der Heiligen Stätten Mekka und Medina keine andere Religion als der Islam ausgeübt werden. Ist der Besuch König Abdallahs beim Heiligen Vater ein Zeichen neuer Hoffnung?
Motivation des Besuches
Alle Menschen sind nach der Lehre der Muslime aufgerufen, zur wahren Religion überzutreten. Die wahre und echte Religion ist ihrer Meinung nach der Islam. Der Begriff der Freiheit und der Menschenrechte ist für Saudi-Arabien ein völlig fremdes Konzept. Es gibt keine allgemeinen Menschenrechte, höchstens muslimische Menschenrechte".
Die starke Verbindung Saudi-Arabiens mit den Vereinigten Staaten von Amerika macht jede Druckausübung unmöglich, um der Magna Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen Anerkennung zu verschaffen. Der Islam hat für alle zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Fragen Vorsorge getroffen. Er braucht keine äußeren Verbesserungsvorschläge. Warum hat dann der König, der Hüter der zwei Heiligtümer" ( haramayn ), das Haupt der Ungläubigen aufgesucht? Es muß sich dabei um einen sehr schwerwiegenden und tiefsinnigen Grund handeln, um eine fatwa " (religiöse Interpretation), um diese Initiative zu rechtfertigen. Der Grund liegt außerhalb der überlieferten islamischen Gesetzesinterpretation.
Die Auseinandersetzungen und Kriege, die mit der Geschichte der Ausbreitung des Islam zusammenhängen, haben nur Enttäuschungen, Verluste und Verzweiflungen gebracht. Sie haben kein einziges Problem zu lösen vermocht, weder in Palästina noch in Afghanistan noch im Irak. Die energische wahabitische Propaganda dieser radikalen Form des Islam aber hat fanatische religiöse Forderungen aufgestellt und Aggression und Terrorismus heraufbeschworen. Der Terrorismus bedroht jedoch inzwischen nicht nur viele Teile der Welt, sondern auch die Stabilität des Königs von Saudi-Arabien und den Frieden in seinem eigenen Reich. Vielleicht hat König Abdallah erkannt, daß es Zeit ist, andere Wege der Zusammenarbeit und der Solidarität im Dienste des Friedens zu suchen.
Islam der Fatimiden
Der Islam der Fatimiden hat den Wahabismus hervorgebracht. Der Islam der Wahabiten ist stark, selbstsicher und energisch. Er betrachtet sich als der eigentliche Hüter des echten ursprünglichen Glaubens der ersten heiligen Kalifen. Die zwei Heiligtümer von Mekka und Medina sind die Symbole des echten Glaubens und der wahren Religion. Jede äußere Anlehnung an fremde Kulturen und jeder religiöse Kompromiß sind den Wahabiten verhaßt und zu bekämpfen. Seine Gründer haben aber nicht damit gerechnet, daß es auf der anderen Seite auch Bestrebungen im Islam gibt, die Modernisierung und Anpassung fordern.
Der wahabitische Islam konstatiert im Westen des 20. Jahrhunderts eine zersetzende moralische Liberalisierung, Alkoholmißbrauch, sexuelle Ausschweifung, Drogenkonsum, Profitgier, Materialismus, Selbstmord und soziale Vereinsamung. All das ruiniert die Menschheit und ist eine zu bekämpfende Gefahr für den Islam, wie es auch für die anderen Religionen gilt. Liberalismus und Relativismus, rein wirtschaftliche und kommerzielle Zielsetzungen und moderne Technokratie haben im Sinne des Islam dem Westen nicht geholfen, und sie bedrohen den Osten. Deshalb muß sich der Islam dem Westen widersetzen. Der Islam erkennt dabei seine Unfähigkeit, dem Westen auf wissenschaftlicher Ebene begegnen zu können, an und zieht sich daher auf einen irrationalen Glauben zurück, um durch radikale Religiosität den wissenschaftlich-kritischen Diskurs zu kompensieren. Entsprechend verspricht der radikale Islam seinen Helden im Paradies nicht etwa Gotteserkenntnis und Wahrheitsschau, sondern daß sie auf grünen Auen und an frischen Wassern sehnsüchtig willige Jungfrauen erwarten werden." (Koran)
Schreiben der Gelehrten
Wenn der saudische König den authentischen Islam der Wahabiten zu repräsentieren meint, hat sein Besuch im Vatikan offiziellen Charakter. Anderes meinen die 38 (2006) beziehungsweise 138 (2007) gelehrten Muslime in ihren beiden offenen Schreiben an den Papst, die eine andere Aussagekraft haben. Mit Respekt und Entschiedenheit wollen die Autoren neue und differenzierte Argumente für die Wahrheit des Islam vortragen. Ausdrücklich soll ein gemeinsames Wort zwischen uns und euch" auf der Grundlage des Koran zum Ausdruck gebracht werden (Sura 3,64, Imran), freilich mit der Bedingung, daß ihr mit den Muselmanen nicht Krieg führt" (das heißt in Palästina, im Irak, in Afghanistan).
Der Kardinal-Staatssekretär hat darauf geantwortet, daß das Schreiben genauestens zur Kenntnis genommen worden sei, und daß von seiten des Heiligen Stuhls alles unternommen würde, um den religiösen Dialog fortzusetzen.
Auch die anderen extremistischen Bewegungen, wie Al-Qaeda, Hamas oder Hizzbollah propagieren radikale und aggressive Sichtweisen des Islam. In einer Atmosphäre der psychologischen Enttäuschung und des politischen Unverständnisses meinen sie, da die Rechte der Muslimen nicht gut verteidigt und geschützt würden, sie müßten auf eigene Rechnung kämpfen, zumal gegen die Ungläubigen. Dabei handelt es sich nicht um naive religiöse Gedanken, sondern um konkrete Aussagen des Koran. Wenn der extremistische Islam, so meinen die islamistischen Bewegungen, sich im Terrorismus äußert, wird er den Westen, der seine christliche Identität und moralischen Werte verloren hat, trotz aller wissenschaftlich-technischen Vormachtstellung, überwinden.
Die islamischen Bewegungen, wie die Hamas oder die Hizzbollah, haben Schutz und Ermutigung bei der saudischen Dynastie gefunden. Mit ihrem Fanatismus und der Gewalt, die sie radikal gebrauchen, bedrohen sie jedoch heute auch den eigenen Beschützer und Sponsor in Saudi-Arabien.
Alle terroristischen Bewegungen haben einen einzigen Vater, Hassan al-Banna, und eine einzige Mutter, die ägyptische "Muslimbruderschaft", beide sind in Ägypten geboren.
Hassan al-Banna (1906-1978) gründete im Jahre 1928 in Kairo eine radikal-islamische Bewegung. Sein Ziel war die Rückkehr zum Islam der Frühzeit", und diesen als den einzig wahren Islam auszurufen. Um nicht nur religiöse Antworten zu geben, hat al-Banna in seiner Organisation auch Abteilungen für die Bekämpfung der sozialen Probleme, der Arbeitslosigkeit, für die Fürsorge der Kranken und Armen gegründet. Die Hizzbollah hat später im Libanon solche sozialen Einrichtungen nach dem Vorbild der Muslimbruderschaft stark ausgebaut.
Unter dem britischen Mandat in den Dreißiger Jahren wurden Hassan al-Banna und seine Organisation unter Druck gesetzt. Daher entstand aus der Muslimbruderschaft" ein Geheimbund der echten Muslime. Er heißt bis heute Muslimbruderschaft", weil alle Muslime Brüder und Schwestern sind. Die höchste Stufe der Würde der Brüder oder Schwestern der Organisation ist der Dschihad, der Heilige Krieg, und im Dschihad schließlich das Martyrium. Geboren im Widerspruch zur Besatzungsmacht, ist diese Organisation zum Hauptvertreter der national-radikalen und muslimischen Forderungen geworden. Wegen ihres Fanatismus und Radikalismus wurden sie von verschiedenen Autoritäten bekämpft (Nasser in Ägypten, der Baath-Partei in Syrien und jetzt in Saudi-Arabien). Sie haben General Abdel Nasser und seiner Revolution 1952 geholfen, doch Präsident Nasser hat sie nachher verfolgt. Präsident Sadat hat sie konsequent unterdrückt, sie haben ihn dafür aber 1982 erschossen. In dieser Zeit glaubten noch andere Regierungen wie Saudi-Arabien und Syrien, die Muslimbrüder unter Kontrolle zu halten, wenn sie ihre Aktionen im Ausland schützen. Aus der Muslimbruderschaft entstanden jedoch alle arabischen und islamischen modernen Protestorganisationen. Ihr Radikalismus und schneller Einfluß bereiten Europa und anderen Staaten Angst. (Mohammed-Karikaturen, Film von Van Gogh, Oper in Berlin)
Gefahr der Extremisten
Gerade die politische Gefahr der radikalen Bewegungen, die aus der Muslimbruderschaft geboren wurden, beginnt eine echte Sorge für die Muslime und besonders für die arabischen Staaten zu werden. Die Probleme der modernen Gesellschaft sind zahlreich und weitschichtig, sie haben aber auch einen tiefen gemeinsamen Grund, nämlich das geistliche Vakuum, das eher spirituell als religiös geartet in der westlichen Kultur festzustellen ist. Der Westen versucht seinen Mangel an Spiritualität mit materiellen und technischen Palliativen auszugleichen. Der Islam hingegen ist bestrebt, die Welt mit radikalen und oft barbarischen Methoden zum ursprünglichen Status ( Salafiyah ) zurückzubringen. Angefangen mit guten einfachen und menschlichen Bestrebungen versucht der heutige Terrorismus, sich mit aller Gewalt durchzusetzen und im Namen seines Ursprungs und geographischen Gebietes den ersten Islam der Raashydyn (Weisen) wieder zu erwecken.
Doch auch die Araber und vor allem die Saudi-Araber beginnen Angst zu haben. Sie suchen neue Allianzen, die etwas anderes als Technik und Kommerz, Finanz und Luxus bringen sollen. Die übermächtige Entwicklung des radikalen Islam in Europa schreitet mit Hilfe und Ermutigung derselben Europäer erschreckend voran. Diese Entwicklung birgt große politische Gefahren und Konflikte. Man hält in der arabischen Welt deshalb nach neuen Verbündeten Ausschau. Bis jetzt ist die Initiative des Königs von Saudi-Arabien an den Papst eine rein politische Geste gewesen, wie so viele in der Geschichte zwischen Muslimen und Christen.
Eine deutsche Lektüre
Der deutsche Udo Ulfkotte schildert in seinem Buch Heiliger Krieg in Europa. Wie die radikale Muslimbruderschaft unsere Gesellschaft bedroht", (Verlag Eichborn, Frankfurt am Main 2007) nüchtern die Aktivitäten der Muslimbruderschaft in verschiedenen Bereichen. Er schreibt unter anderem: Der Islam stellt mit der Schariah das angeblich beste und einzig vorstellbare Rechtssystem der Welt. Im Idealzustand wären alle Muslime der Welt in einen Staat - dem Kalifat - vereint. Um diesen Idealzustand zu erreichen, gilt es, den Feind (außerhalb der islamischen Welt ist das der angeblich aggressive und dekadente Westen) zu bekämpfen."
Diesem Ziel dienen die Bildung und die Ausbildung der kommenden Generation. Mithilfe der Kontrolle über ein rein muslimisches Erziehungs- und Bildungssystem erhofft man sich in absehbarer Zeit die weitgehend vollständige Islamisierung der europäischen Gesellschaft. Mit dem westlichen Demokratieverständnis sind die Ideale der Muslimbruderschaft nicht in Einklang zu bringen.
In seinem Vorwort zu dieser Veröffentlichung schreibt der syrische Politologe Bassam Tibi: Sagen wir es in aller Klarheit: Bei der anstehenden Herausforderung geht es um die Zukunft der offenen Gesellschaft. Diese kommt im Rahmen der Verbindung von Migration und transnationaler Religion nach Europa. Wir haben es mit einer Gefahr für Europa zu tun, die viele Europäer nicht verstehen wollen."(S.10).
Ein Ereignis
Es ist klar, daß für die Muslime die einzig wahre Religion der Islam ist: Alle, die eine Schrift haben und die unkultivierten Menschen müssen Gott untertänig werden ( aslamu ), weil die wahre Religion für Gott einzig der Islam ist", (Sura al Umran, 3,18). Kein Muslim kann einer Verpflichtung des Islam widersprechen. Der Besuch des Königs von Saudi-Arabien bei Papst Benedikt XVI. und das Schreiben der 138 muslimischen Gelehrten sind zwei Initiativen, die das angeblich so menschliche Gesicht des Islam hervorstreichen sollen. Sie bleiben aber rein politische Initiativen. Sie möchten das Wort an das Gegenüber richten, wenn...ihr nicht Krieg gegen den Islam führt". Der Papst führt jedoch keinen Krieg. Kein Krieg kann im Namen des christlichen Glaubens geführt werden.
Man muß aber beide Initiativen als ein Ereignis bewerten, das viele Chancen und viele Gefahren mit sich bringen kann. Eine große Chance deshalb, weil es zum ersten Mal vorgekommen ist, daß Muslime in unseren Zeiten klar und öffentlich eine tiefe Unsicherheit in ihren Positionen zum Ausdruck gebracht haben. Wenn sie im Westen einen echten spirituellen Partner finden, können Kultur und heutige Zivilisation vieles neu schaffen, im Dienst an der Freiheit und den unverletzbaren Werten, in der beiderseitigen Zusammenarbeit, nicht aber im Kampf der Kulturen.
Positiv auch deshalb, weil es zum ersten Mal einen brieflichen Dialogwunsch von Seiten des Islam an das Oberhaupt der Christen gibt, in dem es sogar heißt, daß wir Muslime nicht gegen euch, sondern mit euch sind". Das Risiko besteht jedoch darin, bei aller Dialogbereitschaft naiv nur das positive und sympathische Moment des Islam sehen zu wollen, nicht aber die unüberbrückbaren Probleme, Gefahren und Kritikpunkte. Eine beunruhigende Gefahr ist es zudem, weil die westliche Dialektik einen vermeintlichen religiösen Dialog zu führen wünscht, ohne die Radikalität des Islam richtig einzuschätzen.
Das eigentliche Problem des Westens und damit des Christentums dem Islam gegenüber ist aber die innere Leere und Identitätslosigkeit der westlichen Kultur. Die Natur jedoch duldet kein Vakuum. Die europäische Gesellschaft braucht einen neuen Impuls, neue Generationen. Die neuen Generationen können nur aus intakten Familien kommen, der Keimzelle eines jeden Staates (keine Abtreibungen!). Familien aber werden gerade im Westen zu wenig unterstützt und gefördert.
Die europäische Gesellschaft ist oberflächlich geworden und hat keine religiöse Kenntnis mehr. Werte und Normen, Traditionen und Gebräuche gelten nichts mehr. Die religiöse Erziehung ist lahmgelegt. Die Seele aber bleibt geistlich. Sie sucht nach etwas Höherem.
Woher aber soll man von Gott wissen, wenn niemand den Glauben an Gott vermittelt und lehrt? Der Islam lehrt energisch und ruft zum Glauben auf. Die jungen Generationen hören und suchen, was klar und einfach ist. Die Beurteilung des Islam, wie sie heute in Europa geschieht, fällt einseitig positiv aus. Man sieht, wie schon erwähnt, nur die positive äußere Seite, nicht die inhaltlichen Problempunkte des Islam.
Wie kann man aber mit dem Islam, mit anderen Religionen oder Kulturen, in einen echten Dialog eintreten, wenn man seinen eigenen Glauben und seine eigene Kultur nicht kennt? Ohne Glaubenswissen und religiöse Praxis kann es keine konstruktive Auseinandersetzung mit anderen Religionen und Gedankensystemen geben.
Europa hat christliche Wurzeln. Wenn Europa sich nicht auf seine eigenen christlichen Wurzeln besinnt, verliert es seine Identität und seine Zukunft. Dann wird es das erste Mal in der Geschichte sein, daß der zukünftigen europäischen Kultur und Zivilisation die christliche Quelle fehlt. Wir müssen uns um den christlichen Glauben und um eine christliche Bildung mit Demut, aber auch mit Überzeugung bemühen. Der alte griechische Weisheitsspruch gnothi seauton " gilt heute für die Europäer mehr denn je. Er fordert die Kirche in ihrem Selbstverständnis heraus. Wenn wir wissen, was wir sind und haben, dann können wir auch mit anderen Religionen und Völkern einen gehaltvollen und von Wissen getragenen Dialog aufnehmen. Europa muß endlich aus seiner Oberflächlichkeit und christlichen Lethargie aufwachen und der inneren Leere wieder einen Inhalt geben, einen Inhalt voller Glauben und Wissen. Die europäische Gesellschaft muß wieder auf Christus schauen, auf Christus, unser Heil und unsere Erlösung! Wenn wir unser christliches Patrimonium kennen, führt es uns zum Dialog, zur Wahrheit des Dialogs und zum Leben, zu Jesus Christus. Er ist das Lumen Gentium, ein Licht, das uns nicht blendet, sondern erleuchtet, nicht um "die wahre Religion", sondern um die Wahrheit zu erkennen.