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Es war wieder Krieg im Libanon ...

Brief an die Freunde in Meitingen (Bayern), Fest Kreuzerhöhung, Wien, 14. September 2006



Liebe Freunde!


Jetzt ist ein Monat her, seitdem der letzte Krieg im Libanon abgebrochen und nicht beendet wurde. Viele von Euch, liebe alte Freunde, hatten mit mir telefoniert, mir geschrieben oder mich gefragt, was nun wieder im Libanon passiert ist? Warum die Situation wieder so furchtbar ist? Auch wenn ich nicht weiß, wer heute diese Frage beantworten kann, so fühle ich mich einer Antwort schuldig, obwohl es mehr eine Nachricht als eine Antwort ist.


Ich war Anfang Juli im Libanon. Am 11. Juli bin ich ruhig und sorgenlos nach Rom geflogen. Hinter mir blieb ein Land mit seinen Schwierigkeiten und ungelösten Problemen, aber auch ein Land, das eine Lebensfreude vermittelt und eine Atmosphäre ausstrahlt, die an die alten und schönen Zeiten des Libanon erinnern, als man den Libanon die Blume des Orients oder das Land der Gastfreundschaft nannte. Das Wetter war schön, die Erde strahlte und die allgemeine Lage im Land verkündete frohe Tage. Man sprach vom Sommer und von den vielen Touristen, die vorhatten, unser Land wieder zu besuchen, von Festivals und von internationalen Konzerten. Bei den Fluglinien war alles ausgebucht.


In Rom angekommen, habe ich von der Entführung zweier israelischer Soldaten gehört. Die Libanesen in der Ewigen Stadt haben sofort darüber nachgedacht und eine israelische Reaktion befürchtet. Man wollte die zwei entführten israelischen Soldaten wieder frei bekommen und anschließend die Hisbollah vernichten. Nach 33 Tagen Krieg blieben jedoch die Soldaten noch immer an einem unbekannten Ort gefangen, und nun hebt die Hisbollah die Hand im Zeichen des Sieges. 1200 Libanesen wurden getötet, meistens Frauen, Jugendliche und Kinder. Das Bild von Kana im südlichen Libanon, wo Kinder mit ihren Müttern in den Betten von einer Rakete getroffen wurden, bleibt allen noch in Erinnerung.


Man spricht inzwischen von 35 Milliarden Dollar Schaden, die der Krieg verursacht hat. 45 Brücken wurden zerrissen, über fünfhundert Menschen wurden evakuiert, der ganze Südteil von Beirut zerstört. Von den vielen Menschen, die getötet wurden, waren nur wenige von ihnen Terroristen. Die israelische Armee, (die unbesiegbar Armee!), hat 114 ihrer Kameraden im Libanon verloren. So stellt sich unweigerlich die Frage: War der Krieg wirklich so notwendig? Was hat er gebracht? Und was kommt danach?


Politisch hat der Libanon alles verloren. Aber auch Israel hat nichts gewonnen; die zwei israelischen Soldaten sind immer noch irgendwo verhaftet und wir wissen nicht, wann sie wieder frei kommen werden.

 

Aber wie der heilige Paulus sagt: Wo die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden. Die Gnade hier zeugt von einer vielgestaltigen, menschlichen Sensibilität. Es ist ein neuer Elan von Solidarität und Verbundenheit der Libanesen untereinander, aber auch der Nationen mit dem Libanon und den Unschuldigen entstanden. Während in den 70er und 80er Jahren vom Bürgerkrieg und von den verschiedenen Religionen die Rede war, so haben die Libanesen diese Erinnerung nun ganz aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Sie wollen nicht mehr nach ihrer religiösen Zugehörigkeit eingeteilt, sondern nur noch als Libanesen betrachtet werden. Über 60.000 Menschen sind von den muslimischen Gebieten in eine christliche Nachbarschaft umgezogen, wo sie mit Gastfreundschaft und Großzügigkeit aufgenommen und in den Häusern, Schulen, Klöstern und Kirchen untergebracht wurden. In arabischen Gebieten spricht man trotzdem noch vom Sieg des Islam, aber öfter noch ist vom Sieg des Libanon und der Libanesen, anstatt von den Muslimen die Rede. Auch auf internationaler Ebene zeigten verschiedene Staaten und Weltorganisationen in ihren Reaktionen eine große Sensibilität gegenüber dem Libanon. Andererseits wurde durch die Niederlage Israels nun auch eine neue, bessere Chance für ein diplomatisches Handeln ermöglicht. Es gibt heute im Libanon und in Israel eine große Anzahl von Leuten, die sich als Freunde des Friedens bezeichnen. Vielleicht haben das Blut, die Tränen und die Angst auf beiden Seiten auch etwas Positives ausgelöst, nämlich den Geschmack auf Frieden! Vielleicht ist trotz all des Schreckens der Frieden nun wieder möglich! Wir hoffen, wir arbeiten und wir beten dafür.