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Europas Erbe, Europas Zukunft? Wo kommen wir her, wo wollen wir hin?
Grußwort zum Kongreß Treffpunkt Weltkirche, Augsburg, 11.-13. April 2008
Eminenzen!
Exzellenzen!
Sehr geehrte Kongreßteilnehmer!
Vor einigen Wochen (Ende März 2008) veröffentlichte der Leiter des päpstlichen Statistikamtes, Vittorio Formenti, im L' Osservatore Romano eine Studie, der zufolge die Anzahl der Muslime weltweit zum ersten Mal jene der Katholiken überstiegen hat: So habe es im Jahre 2006 weltweit 1,3 Milliarden Muslime gegeben, während sich die Anzahl der Katholiken auf 1,1 Milliarden reduzierte. Der Anteil der Katholiken an der Weltbevölkerung lag demnach bei 17,4 Prozent, während die Muslime auf 19,2 Prozent kamen. Der Leiter des päpstlichen Statistikamtes betonte jedoch, er könne nur für die Angaben der eigenen Kirche geradestehen, da die Ermittlung der Katholikenzahl systematisch mit Fragebögen über die Apostolischen Nuntiaturen in allen Kirchenbezirken der Welt durchgeführt werde.
Die Angabe von 1,3 Milliarden Muslimen beruht hingegen auf Schätzungen staatlicher Behörden in islamischen Ländern, die der UNO zur Verfügung gestellt werden. In vielen islamisch geprägten Ländern gilt jedoch die Regel, daß Neugeborene automatisch dem Islam zugerechnet werden. Dabei wird nicht darauf geachtet, daß es in diesen Ländern auch christliche und andere Minderheiten gibt.
Durch die fortschreitende Computerisierung und Digitalisierung dieser Länder kann es aber auch vorkommen, daß ein Christ, der seinen Paß erneuern will, plötzlich einen muslimischen Vornamen in seinem Dokument vorfindet und dadurch automatisch zur islamischen Glaubensgemeinschaft gezählt wird. In Ägypten gab es in den letzten Jahren mehrere solcher Vorfälle. Inzwischen reichten zwölf koptische Christen beim ägyptischen Höchstgericht eine Klage gegen diese Form der Einschränkung der persönlichen Freiheit ein. Die Kopten gewannen den Prozeß und durften sich wieder als Christen ausweisen. In ihrem Paß sollte jedoch weiterhin vermerkt sein, daß sie für eine Zeit lang der islamischen Glaubensgemeinschaft angehörten. Dadurch sind die Christen erst recht in ihrem eigenen Land gefährdet, da sie als Apostaten das heißt als vom Islam Abgefallene gelten. Die türkische Zeitung Hürriyet stellte diesen Fall hingegen als einen Sieg der Religionsfreiheit in Ägypten" dar. Dies ist jedoch so nicht ganz richtig, da es sich von vornherein um einen bewußten Fehler der Behörden gehandelt hatte, der ganz gezielt begangen wurde.
Wir wollen uns jedoch hier nicht allzu lange mit fragwürdigen Statistiken aufhalten. Tatsache ist, daß der Islam in Europa immer stärker zunimmt und gläubige Muslime oft bereit sind, ihren Glauben mit großer Überzeugung in der Öffentlichkeit zu verteidigen. Dabei vertreten sie einen absoluten Wahrheitsanspruch, der jeden anderen Glauben, und somit auch den christlichen, in Frage stellt. Der Islam ist heute (neben der Forschung im Bereich der Humangenetik und den damit verbundenen ethischen Fragen) sicherlich eine der größten Herausforderungen für Europa. Die Frage ist: Wie gehen wir mit dieser Herausforderung um? Hat unsere westliche Zivilisation den Einwanderern aus islamischen Ländern nichts anderes zu bieten außer einem übertriebenen Materialismus und Konsumismus, wofür uns ein gläubiger Muslim mit Recht verachtet?
Auf einer islamischen Webseite (http://islamische-datenbank.de) findet man zum Beispiel das Buch eines gläubigen Muslims zum Thema Die Wahrheit". Im Kapitel Der Christ" schreibt er: Ich bin in einer christlichen Gesellschaft aufgewachsen und lebe noch in ihr, und dennoch bin ich keinem Christen begegnet. Und als Christen erkenne ich jedoch nur jene an, die ihren Glauben auch praktizieren." Und ein wenig später fragt er sich: Wo ist die Kirche, die es besser wissen sollte, die den Glauben wieder geraderückt? Die sagt, daß man an Jesu Leidensweg nicht gedenken sollte, indem man bunte Eier sucht oder einen lila Schmunzelhasen verspeist? Ich sehe diese Kirche nicht, die sich entschieden in der Öffentlichkeit gegen diese Mißstände einsetzt."
Auf derselben Webseite gibt Dr. Adil ibn Ash-Shaddi 10 Antworten" auf die Regensburger Rede Papst Benedikt XVI. Er verweist im Punkt 6 auf die unbedingte Notwendigkeit für einen Moslem, das Leben, den Besitz und die Würde" vor Angriffen zu verteidigen. Was muß sich also ein gläubiger Moslem, der nach Europa kommt, über die westliche Zivilisation denken, wenn er hier mit einer Mentalität konfrontiert wird, die die Abtreibung befürwortet? Was muß in einem Moslem vorgehen, wenn er hier erfährt, daß Wissenschaftler im Namen der Forschungsfreiheit menschliche Embryonen zerstören oder sogar menschliches Erbgut mit einer tierischen Eizelle verschmelzen und daraus eine Chimäre klonen?
Papst Benedikt XVI. hat noch als Kardinal in seiner Rede vor dem römischen Senat im Jahre 2004 mit Sorge darauf hingewiesen, daß Europa auf dem Höhepunkt seines Erfolges innerlich ausgehöhlt" scheint. Kardinal Ratzinger konstatierte neben diesem internen Schwinden tragender spiritueller Kräfte" auch ein demographisches Problem und erklärte, daß sich Europa auch ethnisch auf dem Weg in den Untergang" befindet. Die Kinder, die doch unsere Zukunft sind, werden als Bedrohung der Gegenwart, als Einschränkung unserer Lebensqualität angesehen." Gleichzeitig stellte der spätere Papst in dieser Rede auch ein Wiedererwachen des Islam" in Europa fest, was unter anderem auch so erklärte, daß der Islam seinen Anhängern eine lebensnahe, spirituelle Basis bieten kann", während diese dem alten Europa verlorengegangen zu sein" scheint.
Kardinal Ratzinger hat in dieser Rede das eigentliche Kernproblem des Westens und damit des Christentums gegenüber dem Islam angesprochen: die innere Leere und Identitätslosigkeit der westlichen Kultur. Die Natur duldet jedoch kein Vakuum. Die europäische Gesellschaft braucht einen neuen Impuls, damit neue Generationen entstehen können. Neue Generationen aber entstehen aus intakten Familien, die die Keimzellen des Staates und der Gesellschaft bilden, doch im Westen zu wenig vom Staat gefördert werden.
Während viele Moslems ihren Glauben mit klarer Überzeugung in der Öffentlichkeit vertreten, lassen sich die Christen immer mehr in die Privatsphäre abdrängen. Woher aber soll man von Jesus Christus hören, wenn niemand den Glauben an Gott vermittelt? Wie kann man mit dem Islam oder mit anderen Religionen in einen echten Dialog treten, wenn man seinen eigenen Glauben und seine eigene Kultur nicht mehr kennt? Ohne Glaubenswissen und religiöse Praxis kann es auch keine konstruktive Auseinandersetzung mit anderen Religionen und Gedankensystemen geben.
Wenn sich Europa nicht auf seine christlichen Wurzeln besinnt, wird es seine Identität und seine Zukunft verlieren. Wir müssen uns um den christlichen Glauben und um eine christliche Bildung mit Demut, aber auch mit Überzeugung bemühen. Der alte griechische Weisheitsspruch gnothi seauton " (Erkenne dich selbst!") gilt heute für die Europäer mehr denn je. Die Kirche ist in ihrem Selbstverständnis herausgefordert. Europa muß endlich aus seiner Oberflächlichkeit und Lethargie aufwachen und der inneren Leere wieder einen Inhalt geben, einen Inhalt voller Glauben und Wissen.
Ich ermutige Euch: Schaut auf Christus, unser Heil und unsere Erlösung! Er ist das Lumen Gentium, ein Licht, das uns nicht blendet, sondern erleuchtet, nicht um die wahre Religion", sondern um die Wahrheit zu erkennen.
Die Zukunft hängt von uns ab. Wir haben die Verantwortung. Es liegt an uns, zu handeln und das zu retten, was das Christentum aufgebaut hat. Erinnern wir uns daran, was für einen Schatz uns Christus mit seiner Frohen Botschaft anvertraut hat. Werden wir uns dieses Schatzes wieder neu bewußt. Aus diesem Reichtum können wir schöpfen. Und aus diesem Bewußtsein heraus können wir mutig mit dem Islam in Dialog treten.