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Vater der Armen und der Kranken

Gedenktag des heiligen Karl Borromäus, Karlskirche, Wien, 4. November 2007



Der 31. Sonntag im Jahreskreis fällt in diesem Jahr auch mit dem Fest des heiligen Karl Borromäus zusammen. Er gilt nach dem Kirchenlehrer Ambrosius als der zweite große heilige Bischof, der in Mailand gewirkt hat. Er war eine bedeutende Gestalt der Gegenreformation, ein Mann unermüdlicher Arbeit und des Gebets, ein großer Verdienter in den abschließenden Arbeiten des Tridentinischen Konzils. Durch seine vielen Katechesen und Visitationen wurde er zu einem Meister der Lehre und der Spiritualität, Reformator und einmaliger Kämpfer gegen den Schwarzen Tod, der in Mailand im Jahr 1576 wütete. Er hat sich somit den Namen Apostel und Vater der Armen und der Kranken erworben. Sein Ruf und seine Lehre haben Kaiser Karl VI. ermuntert, ihn, während sich die Pestepidemie in der Stadt Wien ausbreitete, um seine Fürbitte anzurufen. Als diese überstanden war, hat der Kaiser in Dankbarkeit diese majestätische Kirche zu Ehren des heiligen Karl Borromäus errichten lassen.


Ich freue mich sehr, mit Euch heute, am 4. November, dem 31. Sonntag im Jahreskreis, hier in der Karlskirche zu zelebrieren und den heiligen Karl als Hirten und Lehrer der Kirche, als Reformer, Vater der Armen und Helfer der Kranken zu verehren. Karl Borromäus bleibt für uns durch die Zeiten hindurch ein Vorbild für den modernen Priester und Seelsorger.


Im Jahre 1715 begann Kaiser Karl VI. den Bau der Karlskirche am Rande der Wiener Innenstadt. Er wollte sie als ein Zeichen der tiefen Dankbarkeit der Stadt Wien für die Hilfe des heiligen Karl im Kampf gegen die Pestplage errichten.


Gott sei Dank haben wir heute in Österreich keine Pestepidemien, keinen Krieg, keine Not und keine Bedrohung, wie in der Zeit des Karl Borromäus oder in der Zeit Kaiser Karl VI. Unsere Stadt und Gesellschaft erfreuen sich des Friedens und sozialen Wohlstands. Trotzdem sind die Botschaft und das Erbe von Karl Borromäus immer noch aktuell.

Der junge Karl Borromäus stammte von einem mächtigen Mailänder Geschlecht ab. Er war reich, sehr gebildet, hoch geschätzt und gefürchtet. All diese Äußerlichkeiten hielt er jedoch für nichtig. Er wurde Priester und kehrte in seine Diözese Mailand zurück, um sein Volk zu unterrichten und seinen Klerus auszubilden. Die Macht, seine gute Stellung in der Gesellschaft und die Ehre schätzte er gering im Vergleich mit der Not der Menschen und der Seelsorge in seiner Kirche. Der Klerus mußte erneuert werden, die Disziplin brauchte Verstärkung, die Kirche Reinigung und die Armen und Kranken Hilfe und Pflege. Karl wußte, wem er Glauben geschenkt hatte, wie es der heilige Paulus formuliert, und er hat seiner Kirche und seinem Klerus bis zum Ende gedient.

 

In dieser totalen Hingabe läßt uns der barmherzige Gott in der heutigen Sonntagsliturgie bitten, daß wir ungehindert der Freude entgegeneilen, die Du uns verheißen hast. Die Verheißungen Gottes sind für alle Zeiten und alle Nationen, alle Gesellschaften und alle Kulturen gültig.


Liebe Brüder und Schwestern, unsere Kirche und die heutige Gesellschaft haben heute viele Initiativen, Projekte und große Vorhaben anzubieten. Es bleibt die Frage, ob wir mit all unseren technischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Fähigkeiten auch die Freude, die Gott uns verheißen hat, suchen. Sind wir heute trotz all unserer sozialen Absicherungen nicht einsamer geworden, als die Leute zur Zeit des heiligen Karl? Was wissen wir noch vom tiefen Streben der Seele?


Bemühen wir uns noch, unseren Mitmenschen, den Schwachen und Kranken - die zwar nicht mehr von der Pest, dafür aber von anderen Krankheiten oder von einer unerfüllten Sehnsucht nach Gott geplagt werden  entgegenzukommen und ihnen zu helfen?


Auch heute gibt es in der Kirche viele Heilige, Lehrer und Betende, Menschen, die Tag und Nacht das Angesicht Gottes suchen. Aber es gibt auch viele, die keinen Mut haben, in die Kirche zu kommen, um das Wort Gottes zu hören, weil sie fürchten, ihre Bequemlichkeit könnte gestört werden, indem ihre Augen geöffnet werden, und etwas anders zu sehen. Sie sind die Kranken von heute, die den Arzt brauchen.


Sie leben oft in den Sonntag hinein und ahnen nicht, was Sonntag eigentlich bedeutet, Tag der Sonne, ja! Aber der echten, wahren Sonne, der Tag Christi, der das Licht der Welt ist. Auch ihnen gehört das Reich Gottes, auch sie sind gerufen. Vielleicht brauchen wir auch heute noch einen Karl, der die Kranken, die bedrohten und manipulierten Menschen von heute zur Verheißung Christi ruft und mit überzeugter Stimme sagt: Steh auf! Er ruft Dich! Christus, der allmächtige Gott und Heiland ruft Dich. Auch wir sind berufen, den unermeßlichen und unbegrenzten Reichtum der Verheißungen Gottes zu verkündigen. Ob wir Techniker, Politiker, Minister, Priester oder Diakone sind, wir alle haben Teil an der Verkündigung. Wir sollen auch alle Mitmenschen in unsere Liebe und Fürsorge einschließen. Caritas Christi urget nos.


Der heilige Karl, ein gelehrter und hochgebildeter Mann von nobler Abstammung, hat die Demut eines Dieners besessen, die Liebe eines Lehrers, der es bevorzugte, den Armen zu dienen, um ihnen die unendliche Liebe Christi mitzuteilen. Das ist auch die Lehre der heutigen Liturgie: Die ganze Welt ist vor Gott wie ein Stäubchen, wie ein Tautropfen. Gott aber erbarmt sich aller. Er bestraft die Sünder nicht, er ermahnt sie und erinnert sie an ihre Sünden, um sie zur seiner Verheißung zu führen. So lehrt das Buch der Weisheit. Deswegen beten die Christen allezeit, wie Paulus sagt, Gott möge seine Gnade schenken und seine Macht wirken lassen, weil der Tag des Herrn schon da ist. Der Herr steht neben uns und lädt uns ein, mit ihm in seinem Weinberg zu arbeiten, jeder nach seinen Talenten, so daß die Menschen unserer Welt mehr Hoffnung, mehr Dynamik und Geschmack am Leben finden. Sind wir vielleicht nicht alle ein Zachäus, der den Herrn sehen und hören will, aber keinen Mut hat, ihm entgegenzugehen?

 Auf Christus schauen lautete das Motto des Besuches von Papst Benedikt XVI. in Österreich. Das Volk ist dem Heiligen Vater entgegengekommen, um ihn zu sehen und zu hören. Der Heilige Vater sagte zu allen:  Sine Dominico non possumus , das heißt, ohne Sonntag können wir nicht (leben). Unser Lebenslauf hat eine Richtung und ein Ziel: Das Leben führt hin zu Gott, der uns die Freude in Fülle verheißen hat. Es führt zu Christus, der am ersten Tag der Woche, am Sonntag, auferstanden ist!


Das genau ist es, was uns Jesus im heutigen Evangelium über Zachäus sagen will: Heute ist in dieses Haus das Heil gekommen. Heute ist das Heil in Eure Herzen gekommen. Laßt in Eurem Leben die Freude erstrahlen, um mit Worten, Taten und Gedanken die Verheißungen Gottes zu verkünden. Schließen wir ihn in unsere Herzen ein. Gestalten wir unsere Wohnungen festlich und feiern den Besuch des Herrn in unserer Mitte, so daß die anderen uns sehen und hören und an unseren Gott und Herrn glauben. Gott kommt nicht zu uns, um bei uns sitzen zu bleiben, sondern, um mit uns mitzugehen und vielen anderen seine Verheißung zu verkünden. Ewiger Gott, auf die Fürbitte des heiligen Karl Borromäus, mach uns fähig, Dich zu empfangen und freimütig mit Dir zu gehen, weil Du die ewige Freude verheißen hast. Amen.